Tablet als Notenmappe

(Update: 11.01.2021)

Seit Anfang 2015 benutze ich keine Papiernoten mehr, sondern habe mir ein Tablet gekauft, das ich seither als Notenmappe verwende. Nach vielen Jahren im Konzerteinsatz muß ich sagen, daß ich sehr gut damit zurechtkomme und nicht mehr darauf verzichten möchte.

Anforderungen

Für mich waren zwei Faktoren wichtig, die so ein Tablet erfüllen muß: Erstens sollte die Displaygröße annähernd DIN A4 sein. Ich hatte bei Kollegen schon gesehen, wie sie Noten auf einem 10-Zoll-Tablet verwendeten; das wäre mir aber zu klein. Zweitens sollte man sinnvoll Notizen mit einem echten Digitizer-Stift machen können.

Neben diesen Muß-Bedingungen ist natürlich noch das Gewicht interessant, denn schließlich muß man das Tablet ja im Konzert eine recht lange Zeit vor sich halten. Und ganz toll wäre es, wenn man kein spiegelndes, sondern ein mattes Display hätte; am besten ein E-Ink-Display, das ohne Hintergrundbeleuchtung auskommt. Dies wäre auch gut für die Akku-Laufzeit.

Geräte-Auswahl

Es gibt leider nicht viele Geräte, die die Anforderungen erfüllen. Das iPad Pro ist in dieser Disziplin sicher der Platzhirsch und war lange auch ohne echte Konkurrenz. Wenn man (so wie ich) aber nicht im Apple-Universum, sondern mit Android unterwegs ist, hat man dennoch nicht viele Möglichkeiten. Ich benutze noch ein Samsung Galaxy NotePro 12.2 aus dem Jahr 2014, das aber schon lange nicht mehr hergestellt wird.

Das Galaxy Note Pro 12.2Das Tablet verrichtet seit 2015 klaglos seinen Dienst. Die Akkulaufzeit ist erstaunlicherweise auch nach vielen Jahren noch sehr gut; mit deaktiviertem WLAN ist ein ganzer Probentag locker drin. Ich habe nur die WLAN-Version ohne Mobilfunkmodul. Falls ich unterwegs mit dem Gerät ins Internet muß, verwende ich Tethering zu meinem Mobiltelefon. Im Jahr 2020 hat Samsung glücklicherweise einen sehr günstigen Nachfolger herausgebracht, das Galaxy Tab S7 FE. Das gibt es teilweise schon für 399 €. Wenn mein NotePro heute kaputt ginge, würde ich es wahrscheinlich durch dieses Modell ersetzen.

Prinzipiell wäre ein Gerät mit E-Ink-Display ideal, jedoch habe ich noch keins der mittlerweile erhältlichen Geräte ausprobiert. Von den Eckdaten würden die E-Ink-Tablets von Onyx mit Android am besten passen, aber die sind schlecht erhältlich, kosten um die 800 € und sind natürlich hauptsächlich als Lesegerät einsetzbar, nicht so gut für Internet-Browsen, Videos und Spiele. Da die Akkulaufzeit selbst mit meinem Uralt-Samstung kein Problem ist, bliebe einzig das entspiegelte Display und die bessere Lesbarkeit im Freien, die für ein E-Ink-Gerät sprächen ­– für mich überwiegen aber momentan noch die Nachteile.

Software

Ich verwende MobileSheetsPro. Die App bietet eigentlich alles, was man braucht: Notendatenbank mit Sortierung nach Komponisten, Sammlungen und Werken; Stiftunterstützung für gezeichnete Notizen, Textannotationen und musikalische Symbole; Erstellung von Setlisten für Auftritte; Einbindung von Aufnahmen als MP3 (praktisch zum Üben!).

Man muß sagen, daß sich die Entwickler echt etwas bei der App gedacht haben. Vor allem praktisch finde ich die Einstellung von Zoomstufen pro Stück, mit denen man weiße Ränder von Seiten entfernen kann und somit die maximale Fläche für die Noten verwenden kann. Toll ist auch der “Companion”, eine Windows-Anwendung, mit der man seine Notendatenbank per WLAN auf dem Tablet bearbeiten kann. Man kann Backups seiner Datenbank anlegen und sie so leicht sichern bzw. auf andere Geräte übertragen. Für Instrumentalisten ist sicher auch die Unterstützung von Bluetooth-Fußpedalen interessant. Für etwas mehr als 10 € bekommt man eine stabile und durchdachte Anwendung, die zwar nicht besonders schick ist und an ein paar Stellen etwas besser bedienbar sein könnte, aber zuverlässig ihren Dienst tut. Ich habe momentan ca. 1.000 Stücke in dieser App gespeichert.

Erfahrungen

Bisher habe ich schon mehrere Probenwochenenden und Konzerte mit dem Tablet bestritten. Die Vorteile überwiegen für mich klar:

  1. Man muß nicht mehr so viele Papier mit sich herumschleppen.
  2. Man kann seine Konzerprogramme schon weit im Voraus sortieren und muß nicht vor den Konzerten die Notenmappe zusammenstellen. Das ist vor allem praktisch, wenn man dasselbe Stück in mehreren Chören oder Programmen singt.
  3. Man hat immer alle seine Noten dabei und kann kein Stück zu Hause vergessen.
  4. Man kann Stücke (soweit verfügbar) in der Probe aus dem Internet laden, wenn man es noch nicht hat.
  5. Man kann seine Notizen leichter mit Kollegen teilen und sie rückstandsfrei ändern oder entfernen.

Nachteile gibt es natürlich auch:

  1. Viele Noten bekommt man legal nicht aufs Tablet. Aus Scans zu singen ist rechtlich genauso unzulässig wie aus Kopien zu singen.
  2. Man muß dafür sorgen, daß das Tablet immer aufgeladen ist, damit man ein Probenwochenende mit Konzerten durchsteht. Mit ausgeschaltetem WLAN und mit heruntergeregelter Beleuchtung geht das aber problemlos.
  3. Wenn man es nicht gerade mit einer Matthäus-Passion vergleicht, ist das Tablet meist etwas schwerer als Papiernoten.
  4. Man braucht die Noten digital. Viele Chöre haben heute zwar eine Cloud mit den Stücken im PDF-Format, aber vor allem bei großen Oratorien macht sich niemand die Mühe, die einzuscannen. Daher bringt das Tablet außer Gewichtsvorteil bei großen, einzelnen Werken nicht viel, da man eh keine Noten sortieren und Einheften müßte.

Insgesamt gesehen kann man sich also überlegen, ob man auf ein Tablet umsteigt. Wer wie ich in vielen Chören mitsingt und oft Programme mit 15-20 einzelnen, kleinen Stücken hat, wird aber die Vorteile des Tablets schnell zu schätzen lernen.

Einen Nachteil möchte ich noch ganz zum Schluß erwähnen: Ich habe zwar eine schwarze Lederhülle, mit der das Tablet fast aussieht wie eine Notenmappe, aber man sieht den Unterschied als Zuschauer doch. Daher sollte man aufpassen, daß man als Tablet-Sänger nicht die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zieht, vor allem, wenn man als einziger keine Papiernoten hat. Unfreiwillig komisch kann das vor allem dann werden, wenn man vergißt, die Helligkeit runterzuregeln, wie ich bei meinem ersten Konzert mit Tablet, siehe Bild…

leuchte-tablet

8 Antworten auf „Tablet als Notenmappe“

  1. Ich benutze das Samsung Galaxy Note 10.1 seit 3 Jahren.Ich möchte nicht mehr zurück tauschen. Als Chorsängerin reicht mir diese Größe. Als Chorleiterin möchte ich jetzt aber lieber auf 12.2 Zoll umsteigen. Ich hoffe, dass ich etwas passendes finde.

  2. …als Chorleiter kann ich dir das Dell XPS18 empfehlen… man muss es auf einen Notenständer stellen, denn zum dauerhaft Tragen ist es viel zu schwer. Dafür ist es wirklich groß – man kann gut 2 Seiten nebeneinander darstellen und es ersetzt mit der mitgelieferten Tastatur und Maus komplett ein Laptop… Schleppe jetzt statt einem dicken Koffer nur noch das Dell Tablet zur Probe – finde alle Noten und habe nie mehr etwas vergessen…

  3. Ich nutze auch schon seit ein paar Jahren Mobile Sheets mit einem 10-Zoll Android Tablet. Habe bisher die Neuinvestition für das pro gescheut, aber mal schauen wie lange noch (vielleicht gibt’s ja mal einen Nachfolger der eher so 600g wiegt, das wär nochmal was ;-)).
    Noch 2 Anmerkungen:
    1. Die Notenmappe. Ich klemme das Tablet in den Black Folder rein, in dem ich vorher meine normalen Noten hatte. Da ist auch mischen mit einzelnen Papierstücken kein Problem. Klemmen geht entweder mit einer Deckel-Hülle, die klappt man auf und klemmt den Deckel so ein wie sonst eben Papiernoten (mach ich normalerweise so), oder mit einer DinA4-Klarsichthülle. Was mich weiterführt zu
    2. Bei Regen singen. Hatte ich schon bei Open-Air-Veranstaltungen, da ist die Klarsichthülle echt der Bringer ;-).

    Viele Grüße, Joachim

  4. Wir finden das auch super. Aber wie habt ihr das mit der Verwertungsgesellschaft geregelt? Vom Tablet zu spielen, singen etc ist mit einer unerlaubten Privatkopie gleichzusetzen. Leider. Wir finden für dieses Problem keine Lösung. Und wo man sich auch informiert, bekommt man keine Antwort.

  5. Liebe Gabi,

    das ist tatsächlich ein Problem, da die großen Verlage dafür keine Lösung anbieten, sondern die Privatkopie nach wie vor verbieten. Das wird leider noch etwas dauern, bis die Geschäftsmodelle da auch im 21. Jahrhundert angekommen sind, wie es beim Buchhandel ja schon lange der Fall ist.

    Bei gemeinfreier Musik hat man natürlich kein Problem, und kleine bzw. Selbst-Verleger sind da oft flexibler und erlauben die Verwendung von PDFs auch für Aufführungen.

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